Herne, den 3. Mai 1998

Liebe Traudel!
Herzlichen dank für Deinen Brief vom 16.4., 17.4. und 24.4.98, und für die Fotos. Wie ich Dir schon am Telefon sagte, gefällt mir das Foto mit der Rückansicht des Hauses sehr gut. So viel Grün, und über 14000 qm, das sind ja fast zwei Fußballfelder - aber Fußballspielen wollt Ihr doch nicht? Ich könnte direkt neidisch werden! Das Haus sieht auch sehr gut aus, viel zu groß für zwei Personen. Wollt Ihr nicht eventuell so eine Alten-Pflegestation einrichten? Dann könnten wir - aber Hilde wird das nicht mitmachen.

Das war im Überschwang der Gefühle für Euer neues Haus, ich habe mich wieder gefangen! Eigentlich habe ich gar keine rechte Lust, Deinen Brief zu beantworten, eigentlich habe ich mir gesagt: Die hat dich so lange schmoren lassen, revanchiere dich. Eigentlich habe ich viel wichtigere Dinge wie Hausarbeit oder Einkaufen zu tuen, aber heute ist Sonntag, für Rentner ein schrecklicher Tag. Die arbeitende Bevölkerung hat frei, versperrt mit ihren Autos die Straßen. Im Fernsehen (TV) ist auch nichts los und da liegt noch ein unerledigter Brief herum. Als ordnungsliebender Mensch ist mir etwas Unerledigtes zuwider, also schreibe ich diesen Brief, widerwillig.

Mach Dir bitte keine falschen Hoffnungen. Ich denke nicht daran, Deine 10 Seiten zu übertreffen. Dir gebührt die Krone des "längsten Briefes aller Zeiten" (Guinness-Buch?). Ich bewundere Deine Cleverness, wie Du einen so langen Zeitraum Deiner "Schreibfaulheit" überbrückst: Kurz nach Empfang Eures 3-Monate-vor-Ostern Briefes hatte ich ..... geplant. Menschenskind, das war Januar, inzwischen sind es fast 4 Monate! Ich will Dir aber zugute halten, daß Du (wie Du auch schreibst) viel zu tun hattest. Wenn man so aktiv ist, so viel "am Hals" hat, ist ein Brief nicht so wichtig. Ich habe volles Verständnis dafür. Ich (wir) freue (freuen) mich (uns), daß Ihr so aktiv seid, so viel - gemeinsam - unternehmt und wir drücken Euch alle Daumen, daß es für Euch noch lange so bleibt. Manchmal frage ich mich allerdings, wieso oder warum Du so viel Glück hattest, einen solchen Mann zu bekommen. Na ja, er sei Dir gegönnt.

Was ich Dir nicht gönne, ist eine Feier wegen meines "Fehlers". Ich behaupte keineswegs, ich sei fehlerlos, das wäre überheblich. In diesem speziellen Fall muß ich Dir leider widersprechen. Die deutsche Sprache (besonders, geschrieben, oder die Schreibweise) ist nicht einfach, leider. Da gibt es einen (nicht so schönen) Spruch: Deutsche Sprache ist sich schwer, besonders für Ausländer. Den letzten Teil möchte ich in .... für Engländer ändern, was für Dich zutreffend wäre! Es ist wirklich nicht einfachl Schon eine simple Komma-Umstellung kann einem Satz zwei verschiedene Bedeutungen geben, z.B.:
1. Der Lehrer, sagt der Pfarrer, ist ein Esel.
2. Der Lehrer sagt, der Pfarrer ist ein Esel.
Das war die Einleitung, nun zu meinem "Fehler". Ich habe geschrieben: *) Wir hatten das Glück .... von Ursula und Jochen (auch seine Eltern) zum Essen eingeladen worden zu sein. D.H.: Wir und Jochens Eltern wurden von U/Jo. Zum Essen eingeladen. {Ich hätte besser schreiben sollen (auch seine Eltern wurden eingeladen)}. Würde ich ein n an "seine" hängen würde es bedeuten: Wir wären von U/Jo und seinen Eltern eingeladen worden. (Where is the error?) Schlimm. Etliche schlaflose Nächte liegen hinter mir. Immer dieses Grübeln, wie sag ich's meiner liebsten Schwester? Schlimm.

Wie ich schon (siehe oben) sagte, freuen wir uns über Eure gemeinsamen Aktivitäten. Staunen müssen wir aber über das, was Du so alles kannst. Bezüge für Sofa und Sessel für Sis nähen, Mörtel abstemmen, Fliesen legen, tapezieren und und ... . Was kannst Du eigentlich nicht?

*) Man wird alt wie eine Kuh und lernt immer noch dazu. Man sollte {vor in-Betriebnahme des Mundes (der Hand) Gehirn einschalten} es einfacher machen (und verständlicher): "Wir (und Jochens Eltern) hatten das Glück ....." - das wäre klar gewesen, oder?

Die Idee von Sis, Eintritt für die Besichtigung ihrer neuen Bezüge zu nehmen, ist doch gut. Es ist schön, daß der Verkauf von Johns Haus endlich geklappt hat und wir wünschen Euch, daß es bald auch mit dem Verkauf Deines Hauses klappt. Schön finde ich auch Eure Jahres-Erinnerungs-Excursionen zu den "Kennenlern-Plätzen" (müßt Ihr Euch denn ständig küssen?). Wieso kann Schweine-Unkraut stechen? (Stinken könnte ich noch verstehen).

Von uns, damit komme ich zum Schluß, gibt es nicht viel zu berichten. Mit Hilde scheint es (vorsichtig ausgedrückt) allmählich aufwärts zu gehen. Sie war ja (vom 31.1. - 2.3.) gut 4 Wochen im Krankenhaus. Am 19.4. (nach fast 7 Wochen) waren wir zum erstenmal für einen Spaziergang von einer Stunde draußen. Ihr fehlt die Kraft, der Rücken macht Schwierigkeiten und das Treppensteigen fällt ihr schwer. Inzwischen haben wir noch mehrere Spaziergänge gemacht und ich hoffe, daß es Hilde immer besser gehen wird. Von mir, dem leidenden Ehemann (frag' nach bei John) gibt es nichts Besonderes zu berichten. Ich trage mein Schicksal - soweit noch möglich - in aufrechter Haltung (obwohl diverse Gelenke manchmal gefährlich knacken). Eigentlich bin ich ganz zufrieden, Taschengeld ist ausreichend, Bier ist im Keller, Zigaretten und Schnaps immer vorrätig (ich bin ja der Einkäufer), den Haushalt mache ich schon "mit links", meiner Frau geht es immer besser und die Tochter macht mir auch viel Freude. Jetzt fehlt nur noch ein Lottogewinn, kein großer, eine Mio würde schon reichen.

Alles Gute, bleibt gesund. Herzliche Grüße von uns an Euch. Helmut.

PS: Wird Eure neue Adresse die endgültig letzte sein? Die ständig neuen Adressen gehen mir allmählich "auf den Keks"! Werdet endlich seßhaft! Das ist ja schon fast wie bei den Zigeunern. PPS: Habt Ihr noch keinen Wohnwagen?

------------

 

<<  Letzter Brief

Briefe Übersicht

Nächster Brief  >>