Herne, 28. September 1999
(dieser war auf die Rückseite des "Briefpapierblock" von John geschrieben, auf die Hälfte gefaltet und das Geschriebene war auf jeder Hälfte in drei Spalten aufgeteilt - sehr kompliziert zu lesen)

Liebe Traudel!
Gerade (17 Uhr) habe ich in meinem Kalender gesehen, dass Du im nächsten Monat schon 59 Jahre alt wirst (unglaublich). Da habe ich mir gedacht, auch weil ich nichts Besseres zu tun habe, nur immer zum Geburtstag schreiben ist doch blöd. Vielleicht freut sie sich (freuen sie sich) wenn sie zwischendurch mal wieder etwas von uns hören. Zumal die angekündigten Telefonanrufe (wann kann man Hilde gut erreichen) ziemlich spärlich ausfallen, wobei "spärlich" noch übertrieben ist.

Wir haben uns am 20.6.99 zum letzten Male gesehen. Das sind, nach Adam Riese, genau 100 Tage. Wann seid Ihr wieder in Deutschland?

Das mit dem "nichts Besseres zu tun haben" heißt eigentlich, daß mir die Lust zum Malen momentan "abgeht". Ich habe inzwischen ein 8. Bild von Kandinsky kopiert (psst, Du weißt von nichts), es nennt sich "Himmelblau" von 1940 und ist wohl eines seiner letzten Bilder. Er starb 1944.

Ein weiterer Grund meines Schreibens ist das "Briefpapier", das mir John freundlicherweise bei Eurem letzten Besuch geschenkt hat. Dieses habe ich bisher nur "zweckentfremdet" benutzt. Das hört sich eigenartig an, aber von "hinter-listig" war nicht die Rede. Um es kurz zu machen - ich wollte mir eine Mini-Galerie meiner gemalten Kandinsky-Bilder in meinem "Arbeitszimmer" einrichten. Ursula hat mir wunschgemäß Fotos von den Bildern gemacht. Diese mußten einen Rahmen haben. Ich habe mir schwarze Pappe besorgt und mußte die Rahmen (erst ausmessen, dann) zuschneiden. Das habe ich mit einem Teppichmesser gemacht. Als Unterlage (um den Tisch nicht zu ruinieren) diente mir der "Briefpapierblock" von John, aber nur die Rückseite, und war sehr nützlich. Mit einem Lineal als zusätzliches Hilfsmittel erzielte ich gerade Schnitte, die mit der Schere nicht möglich gewesen wären. Fazit: Man kann ruhig dumm sein, man muß sich nur zu helfen wissen.

Die "Galerie" macht sich ganz gut.

Das war's eigentlich schon. Viel hat sich in der Zwischenzeit bei uns nicht ereignet. Ursula und Jochen fliegen Montag (Herbstferien) für 1 Woche noch Djerba. Offensichtlich sind die Beiden (was uns freut) immer noch ein "Herz und eine Seele". Zwar klagen sie immer über viel Arbeit, aber teilweise sind sie selbst Schuld, weil sie sich zusätzliche Arbeit aufhalsen lassen.

Ausserdem werden sie auch noch anderweitig in Anspruch genommen. Jochens Schwester Bärbel ist mit einem Iraner (Riaz) verheiratet. Sie haben zwei Kinder, Tochter und Sohn. Die Tochter hat nun in diesem Monat geheiratet, den Sohn (Amin) von einem Iraner. Diese Iraner sind Angehörige der Bahai-Religion und sind wie eine große Familie. Einer ist für den anderen da, sind sehr aufgeschlossen und freundlich, selbst zu uns. Diese Bahai-Gemeinschaft (angeblich 100 Millionen Mitglieder) unterhält weltweit eigene Schulen. In einer solchen Schule in der Tschechei haben Bärbels Kinder ihr Abitur gemacht. Fiona (die Tochter) macht z.Zt. ihren Doktor, und Ramin (der Sohn) studiert z.Zt. in England.
Zur Hochzeit von Fiona "durften" Jochen und Ursula vormittags bei der standesamtlichen Trauung Fotos und Filmaufnahmen machen. Zur Hochzeitsfeier in einem Kölner Hotel mit 130 Gästen waren sie selbstverständlich auch dabei.

Nun hatte Jochens Mutter Erika am 25.9. Geburtstag, sie wurde 81 Jahre alt. Der wurde im kleinen Kreis (20 Personen) bei Bärbel in Dormagen gefeiert (von Herne ca 90 Km). Wir wollten eigentlich garnicht hin, trotz Einladung. Ich hatte Bedenken wegen der Rückfahrt, evtl. im Dunkeln und mit Pech noch im Regen. Da habe ich Schwierigkeiten mit dem Sehen. Ursula hat uns aber "breitgeklopft". Das könnt ihr doch nicht machen, wir holen euch von Herne ab und bringen Euch wieder zurück usw. Wir sind (es war ja nur zum Kaffeetrinken) also nach Mülheim gefahren, sind zu spät (wg. Stau in Essen) angekommen. Mit unserem Auto ist Ursula gefahren (der Papa hat doch Probleme in Düsseldorf), Jochen mit seinem Auto vorne weg, und haben Jochens Eltern mitgenommen. Ab Düsseldorf ist Jochen mit unserem Auto und Ursula mit Jochens Auto (und seiner Mutter) gefahren. Ursula hatte mich vorher schon wg. unseres Autos genervt, die Lenkung geht so schwer, kein Servo, die Bremsen packen nicht, kein Servo, kauft Euch endlich ein neues Auto. Dabei sind wir mit dem 11 Jahre alten Auto total zufrieden. Es war aber eine sehr schöne Feier, alles nette Leute und dann wurde es Zeit für uns heimwärts zu fahren. Wir wollten direkt nach Herne und im Hellen fahren. Dann bringen wir Euch (Jochen/Ursula) aber noch zur Autobahn. Gegenproteste halfen nicht und ich frage mich nun, wollten sie nur sicher gehen, dass wir wirklich abfahren oder halten sie mich für so dämlich, trotz der gut ausgeschilderten Strecke, die Autobahn nicht zu finden? (Überschrift: Die Leiden eines schwer geprüften Vaters).

Hilde hat inzwischen ihr neues "Esszimmer". Nach anfänglichen Problemen kann sie jetzt wieder ziemlich normal kauen. Ich habe sie immer getröstet und gesagt:

Macht das Gebiß Dir Kummer mal,
wird das Beißen Dir zur Qual,
nimm es raus und bleibe heiter,
kaue auf den "Felgen" weiter.

Mir geht es gut, was ich auch von Euch hoffe. Ich bin aus dem Tennisclub ausgetreten. Das Tennisspielen wurde mir (nach 25 Jahren) zu anstrengend.

Herzliche Grüße von uns an Euch. Helmut.

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