Herne, den 10. Juli 2000

Liebe Traudel!
Jetzt tue ich etwas, was ich eigentlich garnicht wollte, Dir einen Brief schreiben (an John natürlich auch). Nach Deinem Doppelanruf gestern kam mir heute der Gedanke und weil noch andere Gründe (nichts Wichtiges zu erledigen, keine Hausarbeit, viel Regen und Kälte) hinzukamen dachte ich, warum nicht? Ausserdem liegen in meinem Schreibtisch seit Wochen 2 Briefe von Dir ([also unerledigt bzw. unbeantwortet] in etwa schon) die mich täglich mehrfach - inzwischen habe ich den Eindruck, ziemlich böse - anstarren. So etwas ist auf Dauer nur schwer zu ertragen.

Nun - in Kürze - zu Deinen Briefen. Da Du so nett bist, Deine Briefe zu datieren, kann ich in chronologischer Weise vorgehen. Da ist zunächst der vom 28.4. (babysitten bei Carl + Val) mit dem abgebrochenen Satz: "Trotz Deiner schnellen Antwort .... und (auf dem gleichen Bogen, Charlottes Zeichenblock) der vom 8.5. mit der Schilderung vom "Osterfest-Chaos" bei Euch. Auf die bestimmt interessante Eiersuche will ich nicht näher eingehen. Was mir in diesem Brief am besten gefiel, war Johns Antwort an seine Tochter auf ihre Frage, ob er wüsste, in welchem Zustand sein Haus ist: warum, glaubst du denn, halte ich mich hier (im Garten!) auf? Was mir garnicht gefiel, war die Schilderung Eures Pechs mit dem Feuer im Gewächshaus. Aber darüber haben wir uns ja schon am 7.6. per Telefon unterhalten (14 Minuten und 11 Sekunden) nachdem ich am 6.6. zweimal vergeblich versucht hatte, Euch zu erreichen. Ihr wart im Garten, wie immer, könnte man sagen. Das waren teure Anrufe, alle drei haben mich 3 DM und 70 Pfennig "gekostet". Du bist eine "teure" Schwester. Habt Ihr kein Handy? Was seid Ihr unmodern! Ich habe eins, hat mir meine Tochter vor etwa 2 Wochen geschenkt, für unsere Sicherheit, wie sie sagt. Mitnehmen wenn ihr unterwegs seid, sagt sie, vor allem dann, wenn ihr mit dem Auto fahrt. Recht hat sie ja, ihr hat das Handy bei zwei - unverschuldeten - Unfällen gute Dienste geleistet. Ich hatte nie die Absicht, mir ein Handy anzuschaffen auch deshalb, weil sich ein deutscher Top-Manager einmal so geäussert hat: Die dümmste Investition die ich in meinem Leben getätigt habe, war der Kauf eines Handys.

Noch etwas in diesem Brief, Dein von Dir angesprochener Beiname - alles-auf-die-letzte-Minute Traudel. Lass das nicht Deine Enkel hören! Sonst hast Du ganz schnell den Beinamen: The grand-ma last minute!

Kommen wir nun zum Brief vom 9.5. in dem Du zunächst über Müdigkeit wegen zuviel und zu schwerer Gartenarbeit klagst. Es ist ja schön ein Hobby zu haben, muss das aber in Arbeit, in Schwerstarbeit ausarten? Oder habt Ihr etwa "höhere" Ziele wie etwa: Schönster Garten in Coleorton? Na denn, prost Mahlzeit.

Kommen wir zu Johns Eisenbahn und meinen Bemerkungen dazu. Weil Du Dir, wie Du schreibst, im Nachhinein Sorgen gemacht hast (wobei ich nicht sicher bin, ob das Dein Ernst ist) (nein, war es nicht), mache ich mir Vorwürfe, dass ich so etwas geschrieben habe. Im Grunde war alles nur scherzhaft gemeint vor allem deshalb, weil für mich selbst so eine Eisenbahn (oder Autorennbahn o.ä.) nicht "in" ist, ich habe keinen "Draht" zu solchen Dingen. Selbstverständlich ist es - auch für mich - in Ordnung, wenn jemand Spass daran hat. "Das Kind im Manne". Ich bin ganz Deiner Meinung, dass etwas "Kindhaftes" nach dem Erwachsenwerden im Menschen drinbleiben sollte, was sich wohl auf alle Lebensbereiche positiv auswirken wird. Allerdings sollte "kindhaft" nicht mit "kindisch" verwechselt werden. Um auf Deine evtl. Sorgen zurückzukommen - es ist doch schön, wenn sich ein Mann z.B. für eine Mini-Eisenbahn interessiert und auch damit beschäftigt, statt dass er z.B. in die Kneipe (Pub) ohne Frau geht, oder säuft, oder spielt, oder aber sich für andere Frauen interessiert. All das gibt es und wird es wieder geben. So gesehen hast Du ein Glückslos gezogen. Die riesige Mini-Bahnanlage von Siegfried gehörte wohl seinem älteren Bruder Willi, beides Söhne von Tante Cilly und Onkel Willi aus W. Eickel. Tante Lina stammte aus Hattingen und war unverheiratet.

Zur "very strong distorsion" ist zu sagen, dass sie zum Komplex "Kind im Manne" gehört. Ich wollte mit der Bezeichnung doch nur aus einer (wenn auch schmerzhaften) blöden Verstauchung etwas "Besonderes" machen (das macht doch was her). Ich habe keine Beleidigungen von Dir zu diesem Thema feststellen können. Legen wir also die Sache "ad acta" obwohl ich immer noch gewisse Zweifel habe, ob Du dieser "distorsion" die angemessene Aufmerksamkeit geschenkt hast. Wenn Du jetzt sagst: "Dieser Mistkerl", dann stimme ich Dir zu!

Kommen wir zum wichtigsten Thema - Briefmarken. Ich habe - glaube ich - schon gesagt, dass ich an Johns freundlichem Angebot (Briefe mit Marken aus aller Welt) kein Interesse habe. Ich sammle (noch) nur deutsche und englische Marken. Beiliegend wieder eine Auswahl für John. Ich habe zwei Bitten: 1. Teilt mir bitte mit, bis zu welcher Michel-Nr. die Fotokopien reichen (ich habe es leider nicht notiert) und zweitens bitte ich um eine Fehlliste (das ist eine Liste mit allen Mi.Nrn. die John fehlen). Lasst deswegen nicht die Gartenarbeit liegen, es hat etwas Zeit aber nicht zuviel. Aus mehreren Gründen. Die Briefmarken mit DM-Bezeichnung laufen aus (etwa ab 2002). Ich bin nicht mehr der jüngste, jetzt bin ich noch in der Lage, evtl. Lücken zu schliessen. Nach der Gartenarbeit hat John bestimmt Langeweile, dann kann er ja schon mal anfangen.

Bei uns ist - wieder - alles in Ordnung. Nachdem wir gestern - wie schon am Telefon gesagt - in Mülheim zwei kranke "Kinder" angetroffen hatten, ist heute alles o.k., Ursula hat heute mittag angerufen. Abgesehen von Hildes schwankender Gesundheit (mal Rheuma~, mal Rückenschmerzen, Schlafstörungen u.a.) geht es uns gut.
Vor 2 Wochen hatten wir die Maler im Haus (4 Tage = 2x2 Tage). Wohnzimmer u. Küche, sowie kl. Zimmer und Diele wurden renoviert. Da Hilde kaum helfen konnte (zum Glück konnte sie noch das Essen kochen) blieb mir die Arbeit mit dem Ausräumen (Bilder abnehmen, Teppiche aufrollen, Gardinen abnehmen, Möbel (soweit möglich) ausräumen, Steckdosen und Lichtschalter abmontieren u.a. und dem Einräumen (alles rückwärts, Gardinen waschen u. aufhängen, vorher Fenster putzen usw). Der Muskelkater ist inzwischen weg.

Alles Gute für Euch. Herzliche Grüsse von uns an Euch. Helmut.

PS.: Dieser Brief wurde auf persönlich gekauftem und bar bezahltem Papier geschrieben.
Dieser Brief hat mich einen ganzen Montagabend (4 Stunden, mit Unterbrechungen) gekostet. Ich hoffe, das findet Anerkennung.

Mir fallen jetzt die Augen zu.
Ich begebe mich zur Ruh!
Was sagt 'ne blöde Kuh dazu?
Muh!

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