Donnerstag, 2. November 2000

Liebe Traudel!
Herzlichen Dank für Deinen Brief vom 23.10., abgestempelt am 24.10., in Herne angekommen am 24.10.! Gleichzeitig kam ein Brief von Gerd an, ebenfalls am 24.10. abgestempelt! Der britischen Post gebührt ein dickes Lob! Das solltest Du mal Deinen Freunden von der Post sagen.

21 Uhr - leider wurde ich unterbrochen, meine Schwester hat aus England angerufen, sich für Geburtstags Geschenke bekankt und noch einiges erzählt, sie kann wieder richtig sprechen! Das ist zwar nicht so wichtig (na, ein bisschen schon), wichtiger ist für mich, dass ich mein für heute geplantes Brief-Pensum nicht schaffe.

Dein Brief vom 23.10. hat mich um eine Erfahrung reicher gemacht (man wird alt wie ‚ne Kuh und lernt immer noch dazu). Es ist immer richtig, vielleicht sogar wichtig, einen Brief erst einmal bis zum Ende "Probe" zu lesen, zumal dann, wenn es sich bei dem Briefscheiber/der Briefschreiberin, um eine Dame handelt die es liebt, in ihren Briefen "Bocksprünge" zu machen. Auf Seite 1, Absatz 1, lese ich etwas von einer 10-seitigen Geb. Karte. Auf Seite 1, Absatz 2, wird mir etwas von Hühnereiern erzählt. Auf Seite 1, Absatz 3, ist wieder die Rede von der 10-seitigen Geb. Karte, die auf Seite 2, Absatz 1, fortgeführt und auf Seite 8, Absatz 1, beendet wird.

Grundsätzlich ist gegen diese Art der "Berichterstattung" nichts einzuwenden. Ich muss mich halt umstellen von der bisherigen "Seitenweise Abarbeitung". Warum? Ich mache mir beim Lesen Deiner Briefe auf dem dafür vorgesehenen Heftrand Notizen für die Beantwortung. Spontane Einfälle, dumme Bemerkungen u.a. So hatte ich mir z.B. bereits auf Seite1, Absatz1, folgendes notiert: Tolle Idee, dickes Lob. Dann muss ich auf Seite 8 lesen dass John die Idee für diese 10-seitige Geb. Karte hatte! Also, dickes Lob für diese Idee an John und dickes Lob an Dich für die Ausführung. Ich muss immer wieder staunen (auch nach unserem Gespräch heute) was Du so alles "drauf" hast, sogar Fliesen legen! Es war eine sehr gute "Blitzidee", nicht nur eine, sondern mehrere Seiten der Geb. Karte beizulegen und auf den Rückseiten den Brief zu schreiben. So haben wir einen fast vollständigen Überblick über die 10-seitige Geb. Karte erhalten und konnten mit Erstaunen feststellen, welch aktive junge Frau Sis war.

Nun hast Du also einen Computer mit Scanner, Monitor und Epson Stylus Colour 760 Drucker (dank John) und somit eine vollständige "Datenverarbeitungsanlage" (DVA). Wenn Du damit zufrieden bist und sie Dir für Deine Zwecke ausreichend ist, o.k.. Du musst Dir allerdings im Klaren sein, dass Dein Computer nach spätestens 2 Jahren "veraltet" ist. Die Stiftung "Warentest" hat vorige Woche einen Test veröffentlicht. 16 PCs wurden getestet und benotet. 8 davon hatten eine Fussnote, * nicht mehr erhältlich, wird nicht mehr produziert. Die soll Dich nicht stören, ich will nur aufzeigen, wie schnelllebig die "Computerwelt" ist.

Hast Du schon mal - vor Besitz Deines Computers - mit PCs zu tun gehabt? Ich kann es einfach nicht verstehen, wie Du das schaffst. Bekommst einen PC, einen Drucker und erstellst, als ob das die einfachste Sache der Welt wäre, eine 10-seitige Geb. Karte, und das noch in toller Aufmache, Respekt!

Freitag, 3. November 2000
(Rosi wird heute 65 Jahre alt)

Um die "Computergeschichte" abzuschliessen - bitte immer daran denken, dass es nur ein Hobby sein sollte. Also, nicht stundenlang auf den Bildschirm starren oder im Internet "herumwühlen". Es gibt schon - das ist kein Scherz - Internet-Süchtige. Sie werden mit Spiel-Süchtigen (Automaten, Casinos) auf eine Stufe gestellt und ihnen wird eine entsprechende Therapie empfohlen. Höre also auf John, tippe ihm Briefe und mache auch Geldaufstellungen für seine Kirche. Es sollte doch alles Tun in einem vernünftigen Rahmen geschehen. Nun sag' nicht gleich: Ha, und was ist mit unserem Briefeschreiben? Ist das etwa im "vernünftigen Rahmen? Sind wir etwa "schreib-süchtig"? Du hast ja Recht, es gibt viele Arten von Sucht und ganz ohne Laster ist das Leben doch nichts wert, sagte der Spediteur.

Hausarbeit ist meist ganz nett,
produktiver wohl als Internet.
Bist nachts Du ohne Schlaf im Bett -
dann such' ihn schnell im Internet.

Wenden wir uns den wichtigen Dingen im Leben zu, z.B. den Hühnereiern. Die Hühner sind ja wohl sehr produktiv, das ist für Euch erfreulich, wir freuen uns mit Euch. Nur Geduld, die Eier werden auch mal grösser, schliesslich haben wir alle ja mal klein angefangen. Aber Eier verkaufen? Vorsicht, es ist bestimmt ein Gewerbeschein erforderlich, denkt an den Grafschaftsrat! Und wie Ihr aus - ärgerlicher - Erfahrung wisst, gibt es immer wieder "liebe" Nachbarn, die Euch - warum auch immer - nicht gut gesonnen sind. (Es kann der Frömmste nicht in Frieden leben, wenn es dem bösen Nachbarn nicht gefällt). Wir hoffen jedenfalls, dass diese dumme Geschichte für Euch gut ausgeht.

Du hast Dir zum Frühstück ein Butterbrot mit Rübenkraut gemacht. Das weckt Erinnerungen. Vor etlichen Jahren noch gehörte dieses Produkt zum festen Bestandteil unserer "Verpflegung". Dann kamen Hildes Zuckerprobleme, das Rübenkraut "verdickte" im Schrank und ich habe mich auf Honig umgestellt.

"Bienenkacke" heisst der Honig,
essen sollt' man nicht zu wenig.

Dazu fällt mir eine - wahre - Geschichte ein. Als wir in Oberschlesien (Chwallowitz) wohnten, schickte mich Mutter zum Einkaufen. U.a. sollte ich Rübenkraut mitbringen. Rübenkraut? Die Verkäuferin "rollte" die Augen (komische Wünsche), was brachte ich heim? Blätter von der Runkelrübe! Diese "Hinterwäldner" kannten nicht das westfälische Volksnahrungsmittel! - Hier möchte ich (wegen westfälische) etwas einfügen. Ich habe ein Buch "Der tolle Bomberg". Es handelt vom tollem Bomberg mit seinen unglaublichen Steichen, von Münster und Umgebung, hast Du Interesse? Wenn ja, ich schicke es Dir, evtl. als nachträgliches Geb. Geschenk.

Du wolltest aber eigentlich ein Stück Stollen zum Frühstück essen, hast es aber nicht gewagt, weil ich Dich bestimmt ausgeschimpft hätte. Das ist, das ist eine infame Unterstellung! Stollen zum Frühstück, das ist meine Meinung, ist - zumal in der Vorweihnachtszeit - nicht nur erlaubt, sondern sehr zu empfehlen. Denn die im Stollen enthaltenen Substanzen fördern nicht nur den Blutkreislauf, sie geben ausserdem dem Po eine gesunde Gesichtsfarbe.

Ein wenig enttäuscht bin ich über Deine Reaktion auf Noah als ersten Weinbauer. Ich hatte gehofft: So eine alte Bibel (1894) habt Ihr, auch noch in Leder gebunden, Kaufpreis 2,40 M? Na ja, man sollte nicht eitel sein.

Die Geschichte mit Gladys freut mich. Es ist schön, gute Nachbarn zu haben. Ich glaube auch nicht, dass sie die Beschwerde eingereicht hat. Ich glaube eher an den Bauern, der sein Vieh nicht mehr bei Euch "fressen" lassen kann. Aber glauben heisst, nicht wissen. Und als Gladys da war, fiel Sam in den Teich. Keine Sorge, Hunde können schwimmen (ob er's weiss?)

Und Du liefst mit nassen Socken
ihn, wo's flach ist, rauszulocken.
Das klappte nicht. Doch Gladys' Rufen
lockte ihn dann zu den Stufen.

Sam dachte sich - er wurd' geföhnt,
mit Schokolade gar verwöhnt -
hast's am besten hier von allen,
lass dich nur ins Wasser fallen.

(insert Saminpond image)

Ich bin enttäuscht von Dir. Dir kann man aber auch nichts glauben, was soll ich nur denken? Gestern abend haben wir telefoniert, da hast Du u.a. gesagt, dass Du auch Ursula schreiben und Dich bedanken willst. Heute, 19 , ruft Ursula an und sagt u.a., dass sie Post von Dir bekommen hat!? Ist die ehrenwerte britische Post so schnell geworden?

Die Tomaten - ich bin weiterhin verwirrt, obwohl Du mit der Wahrheit herausgerückt bist was die "halbe Tonne" betrifft. Nun sprichst Du von einem grossen Korb und meinst, es wäre so etwa eine halbe Waschtonne voll. Ich habe mal in meinen jungen Jahren von einem netten Mädchen (Näheres wird verschwiegen) einen "grossen Korb" bekommen, nachdem ich ihr einen Antrag gemacht habe. Aber was um Himmelswillen ist eine Waschtonne? Fazit: Gründliche Erläuterungen sind dringend erforderlich. Ich bedauere natürlich sehr, dass das nasse Wetter viele von Euren schönen Tomaten verdorben hat. Gibt es da keine finanzielle Hilfe vom Staat?

Ich kann es nicht glauben - da hast Du mal einen Artikel von Renate ("Der Computer" oder so ähnlich) zu lesen bekommen und glaubst, dass die Kopie davon "irgendwo im Bücherregal" liegt. Es gibt so schöne, handliche, Aktenordner. In denen kann man, wohlgeordnet nach bestimmten Kriterien (man will's ja wiederfinden) solche Dinge abheften. Ich komme mir vor wie der Rufer in der Wüste - Ordnung muss man halten, auch und besonders wenn man mit einem PC arbeitet. Oder glaubst Du etwa auch, dass der, der Ordnung hält, zu faul zum Suchen ist? (Ha, das sitzt aber).

Du hast das Schlafzimmer angestrichen, Du bist ein Multitalent. Aber Zimtrot, die Decke etwas heller, ich glaube nicht, dass das mein Geschmack wäre, ich muss ja nicht drin schlafen. Könnte es sein, dass man durch diese Farben Schlafstörungen bekommt? (Ich meine ja nur). Beim Anstreichen hast Du leider Pech gehabt und der Pinsel (voller Farbe) fiel auf Deine knallweisse Bettwäsche, dazu später mehr. Du fielst aufs Bett, der Fuss tut weh, aber Du hast Dir nichts abgebrochen, die verd .... deutsche Sprache. Du hast Dir nichts gebrochen, von der Schokolade (z.B.) hast Du Dir ein Stück abgebrochen. Zu den Farbflecken: Scherzhaft könnte ich sagen - rausschneiden, Kunststopfen. Ernsthaft sage ich: Versuche es mit Gallseife. Damit habe ich sogar Ölfarbe, mit der ich beim Malen meine Oberhemden "versaut" habe, herausbekommen.

Hiermit ist Dein Brief noch nicht vollständig abgeschlossen beantwortet. Fortsetzung folgt bald. Da ich Dich mit dieser Teilantwort möglichst schnell ärgern möchte, schicke ich sie morgen ab.
Herzliche Grüsse von uns an Euch. Helmut.

Samstag, 4. November 2000

Liebe Traudel!
Heute Vormittag schien die Sonne, ich habe etwas eingekauft (Dogerie, Apotheke) und mich anschliessend in der Küche ein wenig nützlich gemacht. Jetzt, nachmittags, regnet es und es ist empfindlich kühl geworden. Es ist wohl das Wetter das Hilde etliche Schwierigkeiten bereitet. Gestern war sie einigermassen "gut drauf" heute leider nicht. Jetzt sitzt sie vorm Fernseher und ich nutze die Gelegenheit, den "Faden von gestern" wieder aufzunehmen und Deinen Brief vom 23.10. weiter "abzuarbeiten".

Inzwischen bin ich auf Seite 6 angelangt und muss leider mit einer Enttäuschung weitermachen. Ich hatte so sehr gehofft, dass das Foto (hast Du aber gut auf's Papier gebracht) das Rätsel um Dein "frühes" Kleid gelöst hätte. Deiner Zeichnung nach und Deiner Schilderung nach, dass die Borte auf dunklem, nicht auf hellem Grund war, muss ich Dir zustimmen. Letzteres gibt mir aber ein wenig Hoffnung (dunkler Grund), dass es doch mein Anzug war, der für Dein Kleid umgearbeitet wurde. Die Stickerei könnte ja neu erstellt (gemacht, gestickt, auf einem breiten Stoffstreifen) worden sein. (Das glaube ich auch. Unsere Mutter hat offensichtlich gerne und gut gestickt, Ich bin noch im Besitz eines Tischtuchs das von ihr rund um den Rand sehr schön mit Hohlsaum und großen Blumen bestickt worden war. Es war ein Geschenk an Vaters Mutter, und Oma hat es mir nach Mutters Tod wieder geschenkt.)
Dann muss man auch die damalige "arme" Zeit bedenken in der es durchaus üblich war, gezwungenermassen sozusagen, Kleidung an die jüngeren Geschwister - geändert oder umgeändert - "weiterzureichen". Lass Dich nicht durch das "elegante" Bild unserer Eltern täuschen (insert Russenkittel image - if I can find it) (Vater tip top - schnicke sagt der Berliner - , Mutter im [Seiden-?] Kleid - lt. Fotos aus dieser Zeit "grosse Mode" - ), wir waren "arm wie Jupp".

Von meinem "schicken Anzug" will ich garnicht reden. Den hat wohl die Oma gekauft (und auch sonst einiges Gutes getan). Es war eine liebe Frau, ich war viel bei ihr, sie wohnte in einem kleinen Häuschen in Wanne-Eickel neben der Maschinenfabrik Knapp (gibt es schon lange nicht mehr). -
Erinnerungen - nur eine Zwischenbemerkung: Ich finde es erstaunlich, dass man sich an einige Dinge aus längst vergangener Zeit gut, sogar sehr gut erinnern kann. An andere aber, die sogar mit den vorgenannten in Zusammenhang stehen, überhaupt nicht. Die Erinnerung ist wie ausgelöscht. So weisst Du z.B., dass die Stickerei Deines Kleids auf dunklem, nicht auf hellem Grund war, das weisst Du genau. Dann aber "glaubst" Du ( ...nicht wissen), dass Du so etwa 6 bis 7 Jahre alt warst und anschliessend wünscht Du, dass Du Dich besser erinnern könntest.

Wenn es Dich tröstet - mir geht es so wie Dir. Ich meine jetzt nicht das (... wie heisst er noch, ich kenn' ihn doch ...) Vergessen von Namen. [- Da ist mir in letzter Zeit folgendes passiert: Ich treffe oft einen früheren Kollegen (aus einer anderen Abteilung), wir kennen uns gut. Meist fährt er mit seinem Fahrrad und grüsst schon von weitem durch Armhochheben. Ich grüsse auf die gleiche Weise zurück und sage mir: Das war doch der ...? Der Name war mir entfallen, was habe ich mich geärgert. Ich rief einen anderen ehemaligen Kollegen an, nannte ihm den gut bekannten Spitznamen des Radfahrers (den wusste ich noch!) und er nannte den Namen: Roesener. Aha, jetzt wusste ich es also. Was passierte beim nächsten Treffen? Das war doch der ...? Dann habe ich im Telefonbuch lange geblättert (R ... wusste ich noch), habe ihn gefunden und mir den Namen in meinem Adressbuch notiert. Sein Vorname ist übrigens Hellmut (mit 2 l).
So recht leiden konnte ich ihn noch nie, vielleicht liegt es daran.] Ich meine das - teilweise - Erinnern an Ereignisse, Begebenheiten, Geschichten, die oft Jahrzehnte zurückliegen, sei es aus dem Beruf, Privatleben oder Gefangenschaft. Sonderbar finde ich, dass man (ich zumindest) nicht das ganze Ereignis "zusammen bekommt", immer nur Teile. Nun, endlich bin ich wieder bei der Oma aus Wanne-Eickel, wie gesagt eine liebe Frau mit 13 (in Worten: dreizehn) Kindern. Mutter war die jüngste und lag auf ihrer (Omas) Silberhochzeit im "Puck". Ich war also oft bei dieser Oma, sehr oft sogar, kann mich aber nur an drei Dinge genau erinnern (ich sehe sie deutlich vor mir) : Den Maschendraht-Zaun um die Fabrik mit dem Tor darin, den Birnbaum an Omas Haus und die grossen Birnen darauf (Flaschenbirnen, genannt Oma-Lutschbirnen, weil sie so saftig waren). Das ist alles, nichts sonst ist haften geblieben. Mit Ereignissen aus "jüngerer" Zeit habe ich dagegen so meine Probleme. Wie oft fragt mich Hilde: "Weisst Du noch, da waren wir doch ..., nein, weiss ich nicht, totale Finsternis.

Zurück zum "wunderschönen" Foto von 1930. Wie nennst Du das, ich sehe "süss" aus? Ich war sicher ein ganz "normaler" Junge, der lange Wollstrümpfe hatte und mit einem Roller fuhr. Hier muss ich eine "Lanze" für unseren Vater brechen. Er hatte mir, damals fast eine "Sensation", einen Tretroller "gebastelt". Wenn ich mir die heute so gelobten "Kickboards" anschaue, alles Schrott. Das war ein Roller mit dicken Gummireifen, einem Tretbrett mit einer Zahnstange. Man musste nur das Tretbrett (wie bei einer alten Nähmaschine) auf und niederdrücken. Die Zahnstange trieb dann (über ein Zahnrad) das Hinterrad an und man "sauste" durch die Gegend. (Ehre, wem Ehre gebührt).

Die Strümpfe haben mich, in vielerlei Hinsicht, wohl für's Leben geprägt. Sie rutschten nicht, wie sie befestigt waren, ich bin mir nicht sicher, unklare Erinnerung. Ich meine mit einem Gummiband und an einem Knopf. Wo aber das Gummiband oben befestigt war (an der Unterhose?), ich weiss es nicht. Was ich sicher weiss, sie kratzten und zwar ganz fürchterlich. Seitdem kann ich wohl keine Wolle auf nackter Haut vertragen. Ich habe nur Baumwollhosen mit einer Ausnahme. Diese Wollhose trage ich nur im Winter, mit langen Unterhosen! Vielleicht habe ich eine Woll-Allergie. Habe ich z.B. eine Wollhose auf nackter Haut und beginne etwas zu schwitzen (wegen Wärme oder aus Angst), sträuben sich bei mir sämtliche Körperhaare.
Noch eine Erinnerung habe ich an jene Strümpfe. Wie es bei Jungen so war, hatten diese Strümpfe manchmal Löcher, vor allem an den Knieen. Diese Löcher wurden gestopft. Neue Strümpfe? Finanziell nicht tragbar. In jener Zeit kostete der Besuch der Oberschule (Gymnasium) noch Geld. Das konnten sich nur "gut betuchte" Leute erlauben. Aber es gab auch Freistellen, für gute Schüler. So eine Freistelle sollte ich bekommen. Ich habe abgelehnt! Mein Hauptgrund waren die gestopften Strümpfe (unter den "reichen" Söhnen, man zeigt mit dem Finger auf Dich, Du bist ein Aussenseiter, waren meine Gedanken). (durchaus begründet, finde ich. Obwohl nicht mit gestopften Strümpfen, habe ich viel unter dem Bewusstsein der "Armut" gelitten als ich im Pensionat in Attendorn war)
Ich weiss heute nicht, ob meine damalige Entscheidung richtig war. Wer weiss, wie mein Leben verlaufen wäre. Ich bin aber mit dem bisherigen Ablauf meines Lebens ganz zufrieden, auch ohne Abi.

Sonntagnachmittag, 5. November 2000

Die Sonne scheint, schon den ganzen Tag. Herne hat heute auf, ab 13 bis 18 Uhr. Die Geschäftsleute werden sich über das schöne Wetter (und den sicherlich guten Umsatz) freuen. Auch Hilde geht es heute etwas besser, sie hatte eine relativ gute Nacht. Was so ein bisschen Sonnenschein doch ausmacht (gilt nicht für die Nacht).

Zurück zum schönen Foto und Deinen - leider - wenigen Erinnerungen an Mutter und zu Deiner Anmerkung, dass mein damaliger Haarschnitt heute wieder modern wäre. Aber höre mal - mein jetziger Haarschnitt ist modern! Haarkranz um den Kopf, breiter Mittelscheitel, z.Zt. die grosse Mode! - Deine Meinung: Wie Mutter dasteht, ihren Kopf und ihre Hand hält das spricht Dich so an und Du findest, das bist Du. Das ist garnicht so abwegig, Quatsch, das ist auch unsere Meinung. Wir haben - schon seit längerer Zeit - etliche Ähnlichkeiten zwischen Mutter und Dir entdeckt. Eigentlich ist das ja ganz normal, dass Kinder von den Eltern etwas "mitbekommen", mal mehr, mal weniger. Du hast von Mutter "etwas mehr" geerbt, wobei ich die Gesten und vor allem das "sanfte Wesen" herausheben möchte (nicht abheben, bitte).

Es ist wirklich zum Schmunzeln wie Du versuchst, aus einem "unbedachten" ein gewiss nicht "gedankenloses" Gewächshaus zu machen, zumal es ja nur ein "halboffenes" ist. Den Spruch von der "schweren" deutschen Sprache kenn ich so: Deutschen Sprache ist sich schwär, besondärs für Ausländär!
Mit Erleichterung nehme ich zur Kenntnis, dass Ihr keinen Porree im Sumpfgarten pflanzen wollt. Das Pipi-Thema dürfte somit erledigt sein.

Inzwischen bin ich auf Seite 8 Deines Briefes angelangt.
Dein Ideenreichtum, Dir Arbeit aufzuhalsen, ist immer wieder erstaunlich. Selbstgemalte Weihnachtskarten, Informationen aus dem Internet, z.B. wie man kandierte Früchte macht, den Garten öffnen wie der Mann in Schottland u.a. Hinzu kommen noch Anregungen aus Deinem Umfeld, ausserdem habe ich schon eine Weile nicht von Dir gehört, dass Du etwas genäht hast. Vergessen darf man nicht, dass Du "nebenbei" so ganz "normale" Hausfrauenarbeit zu verrichten hast. Bei Deinen - anerkannten - vielen Talenten besteht die grosse Gefahr, dass Du Dich "verzettelst". Und woher nimmst Du für all' diese Dinge die Zeit? Wenigstens hier kann ich Dir helfen. Du weisst ja, der Tag hat 24 Stunden und wenn das nicht reicht, nimm einfach die Nacht dazu!

- Irgendwie sind Raucher viel toleranter als Nichtraucher, oder hast Du schon mal erlebt, dass sich ein Raucher über einen Nichtraucher beschwert hat? -

- "Wo ist deine Frau?" - Beim TÜV!" - "Ach, seid ihr schon zwei Jahre verheiratet?" -

- Heulend kommt der kleine Jan nach Hause: "Ein grosser Junge hat mich verhauen!" Fragt die Mutter teilnahmsvoll: "Würdest du ihn denn wiedererkennen?" - "Klar! Ich habe doch sein Ohr in der Tasche!"

Herzliche Grüsse von uns an Euch, und, bleibt gesund! Helmut.

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