Herne, 5. September 2002

Liebe Traudel!
Nein, nein, nicht noch ein Brief! Drei Gründe gibt es für das heutige Schreiben:
1. Löschen des Papierschnipselspeichers, 2. Fehlende Berichterstattung über das "Kochtraining" im letzten Brief, und 3. Eine Short-Story.

Ich hatte heute einen schweren Tag. 2mal zur Stadt, vor~ und nachmittags, Wohnung und Flur putzen und nach dem Abendessen war ich regelrecht "groggy. Da fiel mir ein: Schreib doch Traudel ein paar Zeilen, und siehe da, schon geht es mir viel besser. Und denk dir nur, von groggy keine Spur!

Heute bekam ich Post von Gerd mit den Ausdrucken meiner Bilder. Ich habe mich sofort bedankt, er hat es ja sehr gut gemacht. Leider sind die Farben (und die Größe) der Bilder nicht so gut, er meint aber, auf dem Bildschirm ist beides besser. Vielleicht werde ich mir das am Sonntag bei Ursula ansehen. Das nur vorweg.

Zum 1. Grund ist wohl nichts zu sagen, kommen wir zum 2. Grund, das "Kochtraining". Wir hatten ja beide vermutet, dass Jochen so etwas wie ein Diktiergerät mitbringt, weit gefehlt. Er hatte seine Digitalkamera mit gleichzeitiger Tonaufnahme dabei und filmte den Ablauf. Aber schon bald merkten U/Jo, dass es so nicht ging. Mal etwas Salz, mal etwas Pfeffer, und das Abschmecken kann man halt schlecht filmen. Also nahm Ursula einen Schreibblock und notierte alles. Ich habe sie gebeten dir alles zu übermitteln. Es war insgesamt ein schöner, langer Nachmittag, und ich hatte den Eindruck dass beide an Erfahrung gewonnen haben. Das gilt einmal für den Zeitaufwand für die Herstellung von Rouladen und Sauerbraten, und zum anderen, dass für die Herstellung solcher leckeren Sachen doch einige Erfahrung und Übung gehört, und diese "Sachen" somit in ihrer Wertschätzung steigen werden. Ales in allem war es eine gelungene Sache, und alle Beteiligten machten eifrig mit. Selbst Hilde, die vorher meinte, dass ihr alles zuviel würde, war eifrig bei der Sache. Dass der Großteil der fertigen "Waren" nach Mülheim ging muss ich wohl nicht betonen.

Der 3. Grund, die Short-Story called: Felix und die rote Ampel. Es ist für mich jedesmal ein Ärgernis wenn junge Menschen (vorwiegend, manchmal auch ältere), die rote Ampel missachten. Mit Worten darauf reagieren bringt - außer dummen (frechen) Antworten - nichts. Die Ampel ist rot, man schaut links, rechts, kein Auto in Sicht, schnell rüber, man hat ja keine Zeit, bedenkt aber nicht dass evtl. ein "sehr flotter" Motorradfahrer bei "ziemlich" Dunkelgelb um die Ecke kommt und den flotten Fußgänger auf "die Hörner" nimmt. Das zur Einleitung.

Heute, bei meinem schon erwähnten Gang zur Stadt am Vormittag, ich war kurz vorm Westring, kam von rechts ein Junge gerannt, ca. 8 Jahre alt, mit Schultornister auf dem Rücken. Ich nenne ihn Felix, seinen Namen kenne ich nicht. Die Ampel sprang auf "Rot" als er schon einen Fuß auf der Straße hatte. Er bremste abrupt und blieb stehen (andere wären weitergelaufen). Das beeindruckte mich, ich dachte nach. Ich gab ihm einen Euro und sagte ihm dass es die Belohnung dafür sei dass er bei "Rot" stehen geblieben ist. Er bedankte sich artig, und beim Weitergehen zur Schule schaute er sich immer wieder zu mir um, als ob er das alles nicht verstehen könnte.
Herzliche Grüße von uns an euch. Helmut.


Herne, 23. September 2002

Liebe Traudel!
Nochmals Dank für deine 2 Briefe vom 16., 17. und 18.9., für die Bilder, und vor allem für deine Bemühungen mein - leider immer noch - klägliches Englisch zu verbessern.

Am Telefon hatte ich dir gesagt dass ich z. Zt. keine Zeit habe deine Post zu beantworten, weil ich mich auf die nächste Unterrichtsstunde vorbereiten muss. Heute nachmittag rief meine Lehrerin an dass die nächste Unterrichtsstunde ausfällt (privater Grund). Die übernächste Stunde fällt ebenfalls aus, gesetzlicher Feiertag. So kann ich meine Übungen etwas einschränken (ich übe ja auch mit deiner Post), und habe Zeit für einen Antwortbrief. Hinzu kommt daß ich mal wieder den "Schnippelkramspeicher" leeren muss.

In deiner einleitenden "Abschweife" berichtest du von zwei Fasanen, Jungtiere, wie du glaubst, von einem Igel und einem Maulwurf. Dann leitest du gekonnt von Kleintieren auf die Fliegen über, die entweder "take off backwards or take off forwards". Nun habe ich mich bemüht, die E-mail von Carl zu übersetzen. Er hat also sein Wissen von einer "San Francisco dept. of environment site ...", USA. Na ja. Nun ist es ja durchaus möglich dass in USA bezw. England die Fliegen anders starten als bei uns, in diesen Ländern ist ja manches anders als bei uns. Ich werde die Sache "im Auge behalten", und falls das Glück mir hold ist und eine "richtige" Fliege uns besucht, werde ich den Startvorgang genau beobachten (Filmen in Zeitlupe wäre noch besser). Das Ergebnis werde ich dir mitteilen. Der erste Satz in Carls E-mail bedarf noch einer Erläuterung: Was meint er mit: "Blimey ... er, how about this:"? (Anm.: ich hatte ihn gefragt ob er Onkel Helmut erklären könnte warum er behauptete dass Fliegen rückwärts starten. "Ach du lieber Himmel [oder so ähnlich]...., äh, wie wäre es hiermit:")

Dann erzählst du mir, wer und was dich daran gehindert hat an meinem Brief weiter zu schreiben. Von der Friesischen Krümeltorte, vom Kaffeetrinken mit Courgette/geröstete-Haselnuss-Kuchen (wie passt das zusammen: Zucchini mit Haselnüssen?), vom Erledigen einiger Korrespondenz, vom Brombeerpflücker Bruce, von Pat und Elaine (mit altem Brot für die Hühner) und Tomaten pflücken für Pat. Es wundert mich nicht dass John auf seine Frage an den Fasan: What are you doing here? Keine Antwort bekommen hat, obwohl Fasane als sehr höflich bekannt sind. - Elaine brachte Brot, Pat bekam von dir Tomaten (ohne Bezahlung), und du sagtest: "Fair exchange is no robbery". Das ist ja so: Du gibst mir und ich gebe dir, ein Austausch also. Wir sagen dazu: Eine Hand wäscht die andere. In deinem Fall ist dies "normales" Alltagsgeschehen, bei größeren Dimensionen (z. B. Städtisches Bauamt, du besorgstmir die Baugenehmigung, ich gebe dir 5000 Euro) ist das Korruption und kriminell.

Und ich hatte geglaubt, das mit dem "Eierlegen" geht munter weiter, und ich habe mich schon auf die "10000 Eierfeier gefreut. An einem Tag kein einziges Ei? O wei! Ist es etwa so, dass Hühner nach einem gewissen Zeitraum keine Eier mehr legen können? Dann würde ein Hahn wenig helfen. Der will doch nur sein Vergnügen.

Aber nein, du darfst an meinen "schönen" Versen richtig rütteln und auch fummeln. Du meinst es ja nicht "böse", und mit manchen meiner "Ergüsse" bin ich auch nicht recht zufrieden. Gehen wir ins Detail. Es geht um den Rhythmus (wo ein jeder mit muss - heißt es in einem Schlager), z. B.:

Es gleißt und glitzert hier von allen
Seiten, gleich Diamanten und Kristallen ...

Obwohl es ohne "Seiten" prima klappte - meinst du. Hast du mal "Seiten" weggelassen?

Nichts was uns jetzt noch hält,
hinaus geht's in die Winterwelt.

Es ist schon erstaunlich dass du diese Zeilen erwähnst. Ich erinnere mich genau - meine Aufzeichnungen bestätigen es - dass mich diese Zeilen "gequält" haben (dein zusätzliches "ist" verbessert nichts). Meine Versionen waren:

1. Nichts ist da, was uns noch hält,
hinaus ...
2. Es gibt nichts, was uns noch hält,
hinaus ...

Warum ich dann "Nichts was uns jetzt noch hält, hinaus ... weiß ich nicht, ein "blackout"? Heute würde ich Version 1. oder 2. vorziehen, man lernt nie aus. Deine letzte Anmerkung verstehe ich nicht. Du zitierst den Vers:

Am nächsten Tag nur Sonnenschein.
Schnee überall, sehr weiß und rein,
auf Blättern ...

und meinst dass in der 2. Zeile das "überall" den Rhythmus stört. Die 2. Zeile lautet in der Urfassung (von dir in "Helmuts Ferse" zu lesen und auch so in meiner "Homepage" zu sehen): Schnee überall, die Luft ist rein.
What the matter? Sei ehrlich, wolltest du mich veruzen? Never mind!

Dann gab es eine Unterbrechung, und du hast am 17. 9. weitergeschrieben, u.a. hast du von einer Maulwurffalle berichtet, Andy brachte sie, weil John den Maulwurf fangen möchte der ihm so viel Ärger macht. Ich wünsche John viel Glück, und falls er ihn fängt, nicht beim Nachbarn aussetzen! Töten ist verboten, Naturschutz! Das beste wäre, ihn weiter weg - ich denke da z. B. an Ibstock - auszusetzen, vom Nachbarn käme er zurück, er liebt seinen Heimatboden. Man müsste Maulwürfe eigentlich lieben, es sind sehr putzige Tiere, und sie sind sehr nützlich wegen Insektenvertilgung und Bodenauflockerung.

Dann erzählst du (ich bin noch auf deiner Seite 3) von Sis, eine "unendliche" und für euch "unsägliche" Geschichte, dass ihr ihre Sachen in ihr Zimmer in "The Meadows" transportiert hbt. Der Name "Meadows" kam mir bekannt vor (Comic). Nun habe ich nachgesehen und bin nicht sicher - "in the meadows" = auf den Wiesen, und "Liberty Meadows" = Freiheit in den Wiesen? Für die Erklärung bedanke ich mich schon jetzt.

Was sagte Wilhelm Busch bei "Max und Moritz"?

So, das war der erste Streich
Und der zweite folgt sogleich (morgen).

Herne, 24. September 2002 (Fortsetzung v. Brief v. 23. 9. 2002)

It's in the afternoon, a quarter past four, and I'm writing a letter to my sister in England. She lives in a village called Coleorton. Thats near Leicester.

Wie versprochen, es geht weiter. Hausarbeit und Einkäufe sind erledigt. Ab deiner Seite 4 - mit dem gefallenen Engel vor dem Arbeitsamt - will ich beginnen. Du könntest Recht haben, dass er unser Schutzengel gegen Hochwasser ist.

Es ist schön, dass du mir keinen Reimvorschlag für den September machen kannst (erwartest du etwa für jeden Monat einen Vers von mir?). Ich habe 1. keine Idee für einen Sept. Reim, und 2. auch nicht die Absicht mich damit zu befassen, und 3. hat er keinen Vers verdient. Er brachte zwar überwiegend sonnige Tage aber auch viel Regen. Jetzt, zum Abschied, bringt er uns noch Kälte, heute Morgen hatten wir nur 8º und auf den Bergen liegt schon Schnee! Vor Jahren war er - neben dem Mai - unser bevorzugter Urlaubsmonat wegen seinem beständig schönen und milden Wetter. Jetzt macht er was er will, genauso fast wie der April. Meine Frau hat schon jetzt (wegen der Kälte) Probleme mit ihren Händen, die in the years ago erst zu Winteranfang auftraten. Aber vielleicht haben wir ja schon Winteranfang?!

"... wenn ich John mal am Schlips packen will um ihn zur Vernunft zu bringen..." - was sind das für Worte? Mein Vorschlag ist dir also zu höflich und zu mild. Das prägnante "now listen" passt dir besser. Du kennst John besser als ich und du weißt bestimmt wie weit du bei ihm mit dem "Befehlston" gehen kannst. Ich würde darauf mit Sturheit und "Ohren auf Durchzug" reagieren (Anm.:John auch!), mir "liegt" das Höfliche und Milde mehr.

Damit wäre die 1. Hälfte deines Briefes, die nach der 2. Hälfte deines Briefes in Herne an kam (two halves make a whole) abgehandelt. "Büroakrobaten" - Hmmm, sagst du und glaubst die meisten Menschen könnten beides sein, Praktiker und "Büroakrobaten" (von unseren Technikern und Ingenieuren wurden wir oft herabwürdigend "Tintenpisser" genannt). Man sollte nicht von sich auf andere schließen! Für Techniker/Ingenieure trifft das wohl zu, bei Bürokraten ist meine Erfahrung eine andere. Mit wenigen Ausnahmen waren die meisten meiner Kollegen nicht in der Lage einen Nagel in die Wand zu schlagen, ein Handwerker musste her! Ich verwahre mich gegen deine Annahme, dass ich froh sein darf wenn ich beim Bild aufhängen heil davon gekommen bin! Ich habe mir noch nie, ich betone "nie", den Daumen ruiniert! Somit wären wir beim Anagramm. Anagramm - wat is dat dann? Noch nie gehört. Anna ist mir gram? Welche Anna? Ich kenne mehrere, und warum? Der Duden muss her, ich machte mich "schlau". Griechisch also, damit habe ich "nichts am Hut".

Du also magst die Anagramme -
ich mag mehr die Diagramme
die meinem Kontostand zu eigen,
wo Kurven stets nach oben zeigen.

Der Wintergarten - nach meinen Informationen müsste er jetzt eigentlich fertig sein, und du kannst mit der Inneneinrichtung beginnen.

Ich habe mir die Bilder angesehen, das war ja harte Arbeit, da wird bei euch mancher Schweißtropfen gefallen sein. Die Maurerarbeit scheint mir sehr gut gemacht zu sein (nach meinen Erfahrungen in der Gefangenschaft). Wenn das mit dem Aufbau des Wintergartens auch so gut gemacht wird dann ist wohl alles bestens. Deine Angaben zur Materiallieferung sind aber ziemlich unpräzise. ... das Material soll heute morgen (Morgen) geliefert werden ... (Randbemerkung von dir: bis jetzt noch nicht! 4 Uhr)? So früh sollte das Zeugs kommen? Oder meinst du pm? - Danke für deinen Hinweis zu "It'll look nice". Ich hatte im Dict. nachgesehen, und da stand Aussehen = looks, wobei ich übersehen habe dass Aussehen groß geschrieben war und mit good looks = gutes Aussehen gemeint war. Ich muss noch viel lernen. Das wird mir von dir durch deine Ausführungen (Erläuterungen) zu u.a. on the go, Cantonese Duck, she buttered him up usw. überaus deutlich. ...wissen, wo Barthel den Most holt ... (Anm.: to know which side one's bread is buttered) habe ich zwar mal gehört, weiß aber nicht in welchem Zusammenhang, die Bedeutung ist aber richtig: seinen Vorteil kennen, weil man etwas weiß was andere nicht wissen. Barthel ist lt. Duden die Abk. v. Bartholomäus. Danke für dein Mitgefühl!

I'm playing all the right notes ...nur nicht in der richtigen Reihenfolge, wie beim Lotto. Wir spielen auch die richtigen Zahlen, nur ...

"Überschwänglich (alte Schrbg. überschwenglich) kommt von Überschwang, z. B. Überschwang der Gefühle, kennst du doch.

Dein "Daumen drücken" hat geholfen. Wie schon am Telefon erwähnt, 8 Shoo-fly-Pflanzen sind aufgegangen. Hoffentlich schadet ihnen die Kälte nicht. Dann noch die zwei guten Nachrichten: Du hast mit der Zunge die Umschlaglasche abgeleckt (bähh), hat es geschmeckt? Und Julie, zwar noch groggy, ist wieder auf den Beinen.

Die mitgeschickten Adress~ und Absenderaufkleber sind nicht als Aufforderung gedacht, öfter zu schreiben, eher als Reserve. Es ist einer Marotte von mir zuzuschreiben. Wenn ich z. B. im Haushalt etwas verbrauche, eine Öl~ oder Essigflasche ist leer, oder das Spülmittel ist verbraucht u.a., dann hole ich die vorhandene Reserve aus dem Schrank und notiere den "Fall" auf dem Zettel für den nächsten Einkauf. Wenn ich dies alles ordentlich mache geht uns im Haushalt nie etwas aus, d.h. immer ist alles Erforderliche vorhanden. Wie nennt man so eine Verhaltensweise? Ist das etwa kleinlich oder pingelig oder vorsorglich?

Deine Schlafstörungen - nein, ich kenne so etwas (noch) nicht. Hilde hat öfter Schwierigkeiten damit. Ihr habt es gut, könnt kuscheln (ich bin neidisch!), Hilde läßt mich schlafen, einer muss ja am nächsten Tag fit sein.

Mit den Fotos komme ich gut zurecht, mit einer Lupe. Nein, lasse das nicht mit den Fotos. Ich freue mich schon auf die ersten Fotos vom Wintergarten. Warum heißt es eigentlich "Wintergarten"? Weil man im Winter auch im Garten sitzen kann? Aber das stimmt doch nicht, es sei denn, du legst im Wi.Ga. einige Blumenbeete an. Dann mach ma!

Herzliche Grüße von uns an Euch. Helmut.

PS: Die Marke auf dem Brief ist die Nr. .... (wellenförmig geschnitten).

------------

 

<<  Letzter Brief

Briefe Übersicht

Nächster Brief  >>